New Time, New Place:
Flexibilität in den Betrieben
Heute hat die Mehrheit der Betriebe verschiedenste Möglichkeiten im Portfolio, um die Vereinbarkeit von Lebensbereichen z. B. Beruf, Hobby und Familie möglich zu machen (IAB, 2018b). Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bestätigt das Engagement der Unternehmen bereits vor der Corona-Krise. Die Mehrzahl der Erwerbstätigen können 2017 - im Gegensatz zu 2015 - verstärkt Einfluss auf ihre Arbeitszeitgestaltung nehmen (BAuA, 2018a). Auch mobile Arbeit von Daheim erholt einen ordentlichen Schub du behält diesen bei: Studien zeigen, dass Unternehmen ihr Homeoffice-Angebote ausbauen wollen (besonders die großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, aber auch der Mittelstand will ausbauen; IAB, 2021) und das Angebot in erste Linie unterbreiten, um den Wünschen der Beschäftigten nachzukommen. Sie möchten ihren Beschäftigten die Möglichkeit geben, ihre Lebensbereiche besser vereinbaren zu können und mit mehr Entscheidungs- und Handlungsspielraum ihren täglichen Aufgaben zu widmen. Wichtig ist: Sie bieten Homeoffice nicht an, weil sie eine höhere Produktivität erwarten, die Beschäftigten zu mehr Erreichbarkeit zwingen wollen oder um Büroflächen einzusparen (Backhaus et al., 2021).
Unternehmen unterstützen ihre Beschäftigten noch anderweitig darin, die Balance der Lebensbereich zu halten, beispielsweise bei der Kinderbetreuung: Das Engagement reicht vom Eltern-Kind-Arbeitszimmer im Betrieb über Belegplätze in Kitas bis hin zu Kinderprogrammen in den Ferien. Es gibt inzwischen mehr als 664 betriebseigene Kitas in Deutschland (Destatis, 2018b).
Gut zu wissen:
Flexible und individuelle Arbeitszeitgestaltung, welche sowohl für Unternehmen als auch für Beschäftigte vorteilhaft ist, berücksichtigt zwei Perspektiven:
Zum einen muss die betriebliche Flexibilität stets zuverlässig Kundenbedürfnisse erfüllen.
Zum anderen soll sie die zeitliche Flexibilität der Beschäftigten unterstützen und lebenssituationsspezifische Arbeitszeit ermöglichen, die z. B. die Betreuung von Kindern oder die Pflege kranker Angehöriger erlaubt (BDA, 2021).
Unternehmen unterstützen die Beschäftigten darin, die Balance halten zu können.
Tarifverträge ermöglichen immer mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort
Die Tarifpartner haben in verschiedenen Branchen bereits eine Reihe teils sehr unterschiedlicher Lösungsansätze für flexible Arbeit gefunden. Bereits 90 % der Tarifverträge enthalten vor Corona Vereinbarungen zur Vereinbarkeit (Schneiders, 2018). Tarifverträge bieten hierfür einen geeigneten Rahmen, der von den Betrieben entsprechend den betrieblichen Gegebenheiten und Anforderungen im Einklang mit den Bedürfnissen der Beschäftigten näher ausgestaltet werden kann. Der tarifliche Instrumentenkasten für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Arbeitsorganisation ist groß. Tarifverträge bieten bspw. den Rahmen für mobiles Arbeiten in einem Betrieb oder flexible Tages- und Wochenarbeitszeiten, wie etwa durch Arbeitszeitkonten oder eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung. Auf der Grundlage von Tarifverträgen können höchst individuelle Arbeitszeitmodelle in den Betrieben entwickelt werden – von der zeitweisen Verkürzung der Arbeitszeit (z. B. um Kinder besser betreuen oder sich beruflich weiter bilden zu können) bis hin zur Wahlmöglichkeit der Beschäftigten zwischen Entgelterhöhung oder bspw. zusätzlichen freien Tagen. Wichtig bei solchen Regelungen ist immer, dass sie Optionsmodelle für die Betriebe und ihre Beschäftigten bieten, die betriebsspezifisch und passgenau umgesetzt werden können.
Gut zu wissen:
Für mehr Flexibilität brauchen wir auf allen Seiten – politisch, gesellschaftlich, bei den Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Beschäftigten – vor allem gegenseitiges Vertrauen und Mut für Neues!
Denn das Potenzial von flexibler Arbeit ist noch lange nicht ausgeschöpft. Manchmal müssen auch (gesetzliche) Rahmenbedingungen verbessert oder neue, betriebliche Regelungen gefunden werden. Wir werden uns auch mit neuen Fragen auseinandersetzen, z. B. wie eine Gefährdungsbeurteilung im Homeoffice durchgeführt werden kann. Besonders die Rolle von Eigenverantwortung und Arbeitsgestaltungskompetenz werden weiter wachsen – denn je flexibler und eigenständiger wir arbeiten, desto mehr müssen wir auch auf uns selbst Acht geben. Fakt ist: Der Sprung in das Neue Normal gelingt nur zusammen, Hand in Hand.
Gemeinsam durch die Krise:
Fit für mobile Arbeit: Vertrauen und Absprachen schaffen Klarheit und Arbeitsgestaltungskompetenz mehr Sicherheit und Gesundheit
Befürchtungen, dadurch oft auch außerhalb der eigenen Arbeitszeiten in Anspruch genommen zu werden, sind erfreulicher Weise eher unbegründet: Der Anteil Beschäftigter, die im Privatleben kontaktiert wurden (von Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitende, Vorgesetzten oder Kundinnen und Kunden), liegt seit 2015 konstant bei 12 % (BAuA, 2018b). Allerdings gehen 24 % der Beschäftigten davon aus, privat erreichbar sein zu müssen (BAuA, 2018b), auch wenn dies gar nicht erwartet wird. Das Verhalten von Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegenspielen hierbei eine große Rolle: Je höher Druck bzw. die Erwartung erreichbar sein zu müssen, desto eher ist man auch außerhalb der Arbeitszeit erreichbar (Kauffeld, 2020). Interne Regelungen, wie Kommunikationsregeln, die Festlegung von Reaktionszeiten und Begrenzung von Verteilerkreisen haben sich daher in der Praxis bewährt.
Tatsache ist jedoch auch, dass nicht alle Tätigkeiten mobiles Arbeiten und Homeoffice zulassen. Für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist es besonders wichtig, gute Lösungen in ihren Unternehmen zu finden, v.a. dann, wenn einige Beschäftigte mobil arbeiten können und wollen und andere dies entweder nicht wollen oder auch gar nicht können. Die beste Lösung zum passenden Umgang mit dem Arbeiten von Zuhause muss also im Betrieb gefunden werden.
Bei allen Maßnahmen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist wichtig, dass die Beschäftigten mitwirken. Arbeitsgestaltungskompetenz und Eigenverantwortung der Beschäftigten sind heute also ein Must-Have und umfassen die Fertigkeit, den eigenen Arbeitsalltag hinsichtlich Arbeitszeit und -menge zu gut zu gestalten (Dettmers & Clauß, 2017). Beschäftigte müssen wissen (und anwenden), was Stolperfallen sind, wie die richtige Arbeitshaltung beim Sitzen geht und wann erholsame Pausen einzulegen sind. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen diese Kompetenzen fördern und fordern, während die Beschäftigten lernen müssen, kompetente Entscheidungen in Bezug auf ihre Gesundheit und Arbeitsgestaltung zu treffen.
Der Anteil mobiler Arbeit wird auch nach der Pandemie sehr hoch bleiben. Die Arbeitswelt wird auch aufgrund des individuellen Flexibilitätswunsches tatsächlich umfassend hybrid sein.
Quelle: Studie Connected Work, 2022
Weiterführende Informationen:
Mitdenken 4.0: Zusammen mit Sozialpartnern hat die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VB) diese Initiative ins Leben gerufen. Gemeinsames Ziel ist es, auf Basis aktueller Forschungsergebnisse Handlungshilfen für die betriebliche Praxis bereitzustellen. Schwerpunkt sind:
Arbeitgeber wissen wie man mobile Arbeit gestaltet: Interview des Gesundheitsdiensts BAD mit Dr. Elisa Clauß
- zum youtube Video (ca. 2 min)
- zum youtube Video (ca. 6 min)
- FlexAbility – Flexibel und gesund arbeiten Ein Trainingsangebot der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- BDA-Publikation „Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Praxisbeispiele aus der Wirtschaft“
- Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe: Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege (Destatis, 2018).
- Frauen arbeiten Teilzeit vor allem wegen persönlichen oder familiären Pflichten (Demografieportal des Bundes und der Länder, 2018)